«Wir sind trinkreif»

In Marc Briefers Wohnung besitzt jeder Raum mindestens zwei Türen. «Ich bin ein Mensch, der sich gerne in verschiedene Richtungen bewegt, nicht nur linear», erklärt er. Mehrere Richtungen vereint er auch in seinem Büro für Architektur, Innenarchitektur und Design. Was ihn bewegt und wohin er will, erzählt er uns bei einem Kaffee in seinem Büro im Gewerbehaus «Supertanker» in Zürich Binz.

Stéphanie Hegelbach: Marc Briefer, unser Heft widmet sich dem Thema „Menschen und Objekte, die die Stadt bewegen“. Wie bewegen Sie mit Ihrer Tätigkeit die Stadt?

Marc Briefer: Am direktesten mit den öffentlichen Kulturräumen, die wir gestalten: Clubs, Bars, Gastronomie. Aber auch mit Läden wie dem Cycle Store, der seit Corona die Anlaufstelle für Velobegeisterte ist. Unser grosses Ziel ist jedoch, die Leute durch die Innenarchitektur emotional zu bewegen und zu berühren. 

Das ist Ihnen im Privathaus «Holz» gelungen: Es bietet eine unglaubliche Vielfalt an Lichtstimmungen. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie als Innenarchitekt ein Wohnhaus entwarfen?

Der Bauherr hat mich gebeten einen Entwurf zu machen, weil er unglücklich war mit seinem ersten Architekten. Es ist untypisch, als Innenarchitekt ein Haus zu entwerfen, aber ich wollte das schon immer einmal machen. Der Ausblick ist nach Norden und die grosse Frage war, wie das Licht optimal ins Innere gelenkt werden kann. Zusammen mit Architekt Jürg Schmid haben wir das Haus als Sonnenuhr gestaltet: Das Licht fällt von hinten durch das Sheddach in die grosse Wohnhalle. Das macht den Charakter des Hauses aus – es ist ausgerichtet nach der Tageslichtplanung.

Sie beraten alle Bauherren persönlich. Ist das ein Qualitätsmerkmal Ihres Büros?

Ganz klar, das zeichnet uns aus. Das ist natürlich nur möglich, weil wir ein kleines Büro sind. Durch die nahe Zusammenarbeit entstehen auch gute Freundschaften, denn wenn man für einen Bauherr baut, baut man auch eine Beziehung auf. 

Wie binden Sie die Bauherren in die Planung ein?

Ich würde es als Reise beschreiben, auf die wir den Bauherren mitnehmen. Wir versuchen zu analysieren, was es wirklich braucht. Dann reduzieren wir, bis wir die einfachste Lösung haben – gemäss dem Motto «Less is more». Wir möchten das Unnötige weglassen und eine Lösung finden, die überzeugt, weil sie klar und einleuchtend ist.

Der Frontdesk für die Anwaltskanzlei «Lenz & Staehelin» ist ein Beispiel für Ihr klares Design. Die gesamte Technik sowie eine Heizung sind unsichtbar in die Tischplatte integriert. Wie würden Sie Ihre Handschrift beschreiben?

Unsere Entwürfe sind sehr stark Avantgarde und suchen die Zeitlosigkeit. Die Leute kommen zu uns, weil sie genau das suchen. Für Lenz & Staehelin haben wir einen Empfang gestaltet, der für sich steht, aber nicht als Fremdkörper gelesen wird. Er strahlt eine gewisse Autorität und Klarheit aus und fügt sich dadurch ins Bild ein. Unsere Gestaltung soll sich nicht in den Vordergrund drängen, sondern Zurückhaltung üben. Trotzdem ist unser Design ausdrucksstark und hat eine klassische Eleganz. Wichtig sind für uns einerseits der Respekt vor der Handschrift des Architekten und andererseits die Bedürfnisse der Bauherren.

Seit Corona haben sich die Bedürfnisse zum Teil stark geändert. Wo sehen Sie die grössten Veränderungen?

Aktuell kommen die Leute zurück in die Büros und viele Arbeitgeber merken, dass die Arbeitsplätze nicht mehr attraktiv genug sind. Um ein neues Bürokonzept zu finden, müssen wir zuerst die Firmenkultur verstehen. Man muss sich auch bewusst sein, was eine Änderung in Bezug auf die Kosten bedeutet und eine Balance finden zwischen Verhältnismässigkeit und Nachhaltigkeit beim Eingriff ins Gebäude.
Zurzeit planen wir beispielsweise Hybridoffices, wo man sich frei bewegen kann zwischen Arbeitsplätzen, Teamzonen oder Begegnungszonen. Momentan sind auch persönliche Arbeitsplätze wieder stark gefragt. Ich denke, wir haben einen sozialen Auftrag zu schauen, dass die Leute gerne arbeiten kommen. Nicht nur die Effizienz in Bezug auf Quadratmeter ist entscheidend.

In Ihrem aktuellen Projekt «Energy Infrastructure Partners» in einem historischen Gebäude am Paradeplatz platzieren sie eine Kaffeebar im Erdgeschoss. Warum haben Sie sich für diese Kombination von Freizeit und Arbeit entschieden?

Wir wollten – angesichts der zentralen Lage am Paradeplatz – Leben ins Erdgeschoss bringen. Deshalb entschieden wir uns gegen eine klassische Wartezone und für die Worklounge: Die Geschäftsleute können hier nach dem Mittagessen einen Kaffee trinken, arbeiten oder informelle Gespräche mit Kunden führen. Ich denke, direkte Gespräche und gemeinsam Ideen zu entwickeln – das wird wieder wichtiger. 

In Ihrem Büro entwickeln Sie Ihre Ideen gemeinsam mit Ihrer Frau. Würden Sie das gemeinsame Arbeiten als Paar weiterempfehlen?

Auf jeden Fall! Wir sind sehr glücklich, dass wir das machen können, was wir gerne machen und sind mit Herzblut dabei. Zudem sind wir dadurch flexibel und können uns Zeit nehmen für unsere zwei Kinder. Weil wir zusammen arbeiten, haben wir aber immer noch unsere Zeit als Paar, zum Beispiel beim gemeinsamen  Mittagessen. Deshalb sind wir so ausgeglichen, obwohl viel läuft. Architektur und Innenarchitektur ist ein komplexes Gebiet und es braucht viel Erfahrung. Deshalb sind die guten Gestalter meist älter und ich denke, wenn wir ein Wein wären, wären wir nun trinkreif. Jetzt gibt es Tiefgang, Körper und Volumen.

Was fehlt noch bis zum Reifehöhepunkt?

Ein Projekt, das ich noch gerne machen würde, wäre tatsächlich ein Weingut mit Hotel!

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