Was macht mein Leben reich?

Der Beirat von ZWEI Wealth hat sich die allumfassende Frage “Was macht mein Leben reich?” gestellt – und befindet sich nun auf Spurensuche nach der Antwort. Dazu wurden ganz unterschiedliche Persönlichkeiten gebeten, sich in Form eines Gastbeitrags dieser Frage anzunehmen. Sie sind nachzulesen auf dem Blog www.zwei-wealth.ch/reich. Die 24 schönsten Beiträge können Sie bei ZWEI Wealth als Sammelwerk bestellen.

Was macht mein Leben reich? Was für eine mächtige Frage. Und eine, die einem Respekt einflössen kann. Ist doch mit „reich“ eine Vielzahl von Konstrukten verbunden: finanzieller Reichtum, innerer Reichtum, sozialer Reichtum und nicht zuletzt Fragen zur Verteilung und Gerechtigkeit. Ganz zu schweigen von den individuell unterschiedlichen Präferenzen bezüglich der Ausprägungen von Reichtum. Oft geht es dabei um eine Ansammlung von Besonderheiten. Diese können greifbar (z.B. „eine reiche Ernte“) oder immateriell (z.B. „ideenreich“), erstrebenswert oder abzulehnen („schreckensreich“) sein.

Dem stelle ich eine dynamischere Betrachtung zur Seite. Reichtum nicht verstanden als eine Ansammlung von Bestehendem, sondern als Potential für die Zukunft. Eine wichtige Voraussetzung für diesen Reichtum ist die Akzeptanz von Hoffnung als zentralem Bestandteil eines reichen Lebens. Denn die Bedeutung der Hoffnung ist nicht zu unterschätzen. So hat die antike Mythengestalt, der Halbgott Prometheus, den Menschen nicht nur das Feuer geschenkt, also die Möglichkeit, die Natur mit Technik nach ihren Wünschen umzugestalten, sondern auch etwas anderes, das vielfach übersehen wird: Nämlich zuerst, noch vor dem Feuer, gab er den Menschen die Hoffnung, genauer: die „blinde Hoffnung“.

Prometheus: Dass ihren Tod die Sterblichen voraussahn, hob ich auf.
Chorführerin: Indem du welches Mittel gegen diese Krankheit fandst?
Prometheus: Ich siedelte in ihnen blinde Hoffnung an.
Chorführerin: Damit beschertest du den Menschen grossen Nutzen.*

Diese unbegründete Hoffnung auf eine bessere, reichhaltigere Zukunft macht uns zum Menschen. Eine Personifizierung dieser Haltung ist der reiche Unternehmer Richard Branson, der hoffnungsfroh immer wieder Unternehmen angeht, die von vielen als hoffnungslos angesehen werden. Zuletzt sein tollkühner Flug ins Weltall. Früher den mächtigsten und innovativsten Staaten vorbehalten und seit Richard Branson für alle, die es sich leisten können, zugänglich.

Das gibt auch mir Hoffnung, dass die Zukunft noch mehr birgt; mehr als ich mir realistischerweise vorstellen kann. Vor uns allen liegt ein reicher Schatz an Möglichkeiten.
Vielleicht fliege ich also mit 70 zum Mond. Aus heutiger Sicht scheint das absurd zu sein. So vieles spricht dagegen: Kosten, Risiken, Gesundheit usw. Aber ich bin überzeugt, was gestern Milliardären und Spinnern vorbehalten war, wird in Zukunft fast zum Alltag gehören.

Dabei will ich nicht sagen, dass die Hoffnung ein Ausweichen auf Träume und zukünftige Luftschlösser ist. Ganz im Gegenteil. Hoffnung wirkt sofort. Sie beschert uns bereits eine reichhaltigere Gegenwart. Die Hoffnung bereichert mein individuelles Hier und Jetzt. Die eigentliche Bedeutung der Hoffnung liegt ja nicht darin, dass sich das Erhoffte in der Zukunft ereignen wird, sondern darin, dass diese Hoffnung im Hier und Jetzt Auswirkungen hat.
Sie erlaubt uns reichhaltigere Möglichkeiten zu sehen und unser heutiges Handeln auf diesen Reichtum auszurichten. Wir mögen uns im Alltag mit schwierigen Situationen konfrontiert sehen und deswegen die Augen vor dem Reichtum an Möglichkeiten verschliessen. Wenn wir die Hoffnung in unsere Wahrnehmung integrieren, kann sich alles ändern. Das Leben ist, wie es ist, aber die Hoffnung macht uns bereits heute stark. Sie hilft uns in neuen Möglichkeiten zu denken – und neue Möglichkeiten machen uns reich.

* Zitiert aus der neuen Übersetzung von Kurt Steinmann: Aischylos, Der gefesselte Prometheus, Dietzingen 2020, S. 29

Heinrich Hugenschmidt ist promovierter Ökonom, ehemaliger CEO einer Grossbankentochter, gehört zu den Pionieren des nachhaltigen Finanzgeschäfts und war im Steuerungsauschuss Finanzinstitute des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Er berät vermögende Privatanleger, Stiftungen und Family Offices zu Fragen der Investment Governance.

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